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St. Gertrudis-Kirche

Der Bereich Horstmar mit den Bauerschaften Niedern und Schagern gehörte nach der Christianisierung der Westfalen Ende des 8. Jahrhunderts zum Gebiet der Taufkirche Schöppingen, wo an einer kräftig sprudelnden Quelle eine Kirche errichtet wurde. Ludwig der Fromme, Nachfolger Kaiser Karls des Großen, schenkte diese sowie die Taufkirchen Wettringen und Rheine mit ihren jeweiligen „Einkünften“ im Jahr 838 dem Damenstift Herford, das er 823 zur Reichsabtei erhoben hatte. Horstmar wurde wie auch Leer unter Fürstbischof Hermann II. (1173 – 1203) selbständige Pfarre, also von Schöppingen abgepfarrt, worauf hier eine Kirche zu Ehren der Hl. Gertrud als Pfarrpatronin mit zugehörigem Begräbnisplatz errichtet wurde.

Fürstbischof Gerhard hatte ab 1269 die Herrschaft Horstmar „erworben“ und die Siedlung unterhalb der Burg ausgebaut, befestigt und mit Stadtrecht privilegiert. Seine Nachfolger bemühten sich dann um die Verbesserung der Pfarrseelsorge und die Bildung der Bevölkerung. So nahmen schon die gottesdienstlichen Anordnungen für die Burg- und Marienkapelle von Fürstbischof Otto III. 1306 Rücksicht auf die Gründung eines Kanonikates und bestimmten den Burgkaplan zum zukünftigen Scholaster (Schulmeister). Doch erst sein Nachfolger Fürstbischof Ludwig II. verwirklichte diesen Plan und stiftete auf Katharina (25. Nov.) 1325 ein Kanonikat. Dabei handelt es sich um eine Gemeinschaft von Geistlichen mit einer einheitlichen Lebensregel, dem Canon, weshalb man sie Kanoniker nannte und ihre Gemeinschaft Kapitel, da man bei den Zusammenkünften jeweils ein Kapitel aus Chrodegangs Regel verlas. Jeder Kanoniker bezog in der Stadt eine eigene Wohnung (Kurie).

Im Bistum Münster hatte das Horstmarer Kapitel eine besondere Stellung, es unterstand direkt dem Fürstbischof und hatte an der Spitze einen Dechanten, während alle andern Kapitel im Bistum einem Probst unterstanden, der zugleich Mitglied des Domkapitels war. Nach der Aufhebung des Kapitels durch die französische Verwaltung 1806 blieb der Titel „Dechant“ den Horstmarer Pfarrern erhalten.

Bald nach der Stiftung des Kapitels wurde die heutige St. Gertrudis-Kirche ab der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts nach vollständigem Abbruch der Vorgängerkirche errichtet. Nur die Marienkapelle blieb erhalten. Die Gertrudiskirche ist eine typische gotische Hallenkirche, bei der sich Mittelschiff und Seitenschiffe unter einem Dach befinden. Zunächst hatte sie nur eine flache Holzdecke, erhielt dann kurz nach 1400 die heute noch den Kirchenraum bestimmenden hohen Domikalgewölbe – für Westfalen eine Besonderheit. Etwa 50 Jahre später folgte der mächtige Turm. Dieser hatte ursprünglich nur ein Satteldach zwischen Treppengiebeln und den Charakter eines Wehrturmes. Das 3. Stockwerk enthält Schießscharten und ist nur über einen engen, runden Treppenturm erreichbar. Auf dessen Außentreppe stand bis zum Jahr 1958 ein Ausrufer, der nach dem Hochamt die amtlichen Bekanntmachungen verlas. Die Horstmarer Kirche war also Stadt-, Kanonikats- und Wehrkirche.

1861 erhielt der Turm seinen hohen, spitzen Helm. Im letzten Drittel des 19. Jh.s wurde dem damaligen Zeitgeist folgend alles Nichtgotische bis auf die barocke Kanzel entfernt und der Innenraum mit neogotischen Elementen ausgestattet, u. a. 1891 mit einem neuen Hochaltar und neuen Fensterscheiben aus der Werkstatt der Horstmarer Kunstglaserei Becks.

In den 1960er Jahren wurde die Pfarrkirche St. Gertrudis vollständig renoviert und umgestaltet. Dabei wurde 1964 eine neue Sakristei angebaut. Seitdem hat es immer wieder weitere Renovierungen gegeben (ausführliche Informationen liefert das Kirchenführer-Heft, welches in der Kirche ausliegt).

 

St. Gertrudis-Kirche um 1930.

St. Gertrudis-Kirche vor 1960.

St. Gertrudis-Kirche vor 1980.