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Bahn - Bahnhof – RadBahn

Bahnstrecke Duisburg – Quakenbrück

Der ab der Mitte des 19. Jahrhunderts stark zunehmende Bedarf an Transportverkehrsmöglichkeiten zwischen dem Ruhrgebiet und den Seehäfen regte die Rheinische Eisenbahngesellschaft an, in Konkurrenz zur Strecke über Münster und Osnabrück zu den Seehäfen Hamburg und Bremen eine weitere Strecke von Duisburg über Coesfeld, Burgsteinfurt, Rheine nach Quakenbrück zu bauen. Die preußische Konzession wurde am 9. Juni 1873 erteilt. 1877 wurde mit den Bauarbeiten begonnen. Dabei war der 15 Meter tiefe und etwa ein Kilometer lange Einschnitt in den Deelberg bei Horstmar, da ohne maschinelle Hilfe von Hand auszuführen, sehr aufwändig. Bis zu einhundert Arbeiter wurden dabei eingesetzt und das gewonnene Kalksteinmaterial von dampfbetriebenen Lorenbahnen abtransportiert, um an anderer Stelle als Packlage genutzt zu werden. Doch schließlich konnte am 1. Juli 1879 mit viel Prominenz die Strecke eingeweiht werden.


Mit der Strecke wurde eine durchgehende Verbindung zur Hansestadt Bremen als auch nach Wilhelmshaven (seit 1866 Kriegshafen der preußischen Kriegsmarine) geschaffen. Am 1. Januar 1886 ging die Strecke an die Preußische Landesbahn über. Genutzt wurde die Strecke dann in den ersten Jahrzehnten vor allem für den Durchgangsverkehr von Erz-, Kohle- und Militärzügen. Der Lokalverkehr hatte zunächst nur geringe Bedeutung. Doch bald wurden sogar erste Sonderzüge in den Ferien für den Ende des 19. Jahrhunderts aufkommenden „Eisenbahntourismus" eingesetzt.


Im Ersten und im Zweiten Weltkrieg diente die Strecke vor allem zum Transport wichtiger Rüstungsgüter zum Marinekriegshafen Wilhelmshaven. Doch infolge völliger Zerstörung des Rheiner Bahnhofes im Oktober 1944 musste der Zugverkehr ganz eingestellt werden. Nach entsprechender Reparatur verband erst ab Sommer 1950 wieder ein planmäßiger Zugverkehr das Ruhrgebiet mit Oldenburg und damit mit den Häfen an der Küste vor allem für Erz-, Kohle- und Ölzüge. Bis zu 40 solcher Züge gingen täglich über die Strecke, allerdings war die Zahl schon ab 1956 rückläufig. Einen gewissen Aufschwung gab es noch einmal zur Blütezeit der Strumpfstrickerei Schulte & Dieckhoff; so wurden zwischen 1964 und 1967 täglich bis zu 40 Waggons mit Stückgut abgefertigt. Um dies zu bewältigen, waren am Bahnhof Horstmar damals immerhin 42 Personen beschäftigt.

Nach der Elektrifizierung der Strecke Münster-Rheine 1972 verlor die Strecke immer mehr an Bedeutung. Schließlich fuhr am 28. September 1984 der letzte Personentriebwagen auf der Strecke, und der Güterverkehr von Coesfeld nach Horstmar wurde Ende 1992 auch eingestellt.

Bahnhof Horstmar

Zusammen mit dem Bau der Eisenbahnstrecke Oberhausen - Rheine wurde in den 1870er Jahren auch das Bahnhofsgebäude in Horstmar in den typischen Bauformen der damaligen Zeit - allerdings aufwändiger als die meisten anderen Bahnhofsgebäude an dieser Strecke - errichtet. Charakteristisch dafür ist die Gesamtgliederung mit Mittelrisalit und querbetonten Gesimsen und Friesen sowie den aus der Romanik übernommenen Rundbögen für die oberen Fenster und den aus der Renaissance stammenden Giebeldreiecken und den flachen Bögen über den unteren Fenstern. Die Nutzung von zahlreichen, verschiedenartigen Fliesen für die Gestaltung machte das Besondere dieses Gebäudes aus. Der angebaute Güterschuppen wurde später errichtet.

Das Bahnhofsgebäude wies zudem die Besonderheit auf, dass die Grenze zwischen Laer und Horstmar mitten durch das Gebäude verlief, um zu betonen, dass dieser Bahnhof beide Orte versorgen sollte. Erst im Rahmen der Flurbereinigung wurde 1956 die Grenze soweit nach Süden verschoben, dass das gesamte Bahnhofsgelände zum Gebiet der Stadt Horstmar gehört.

Diese Lage zwischen Laer und Horstmar bedeutete, dass Güter mit Pferdewagen dorthin transportiert werden mussten und dass Personen einen weiten Fußweg zurückzulegen hatten  - besonders mühsam für die Schüler, die von hier aus nach Burgsteinfurt oder Coesfeld zur Schule fuhren. Um die Wartezeit angenehmer zu gestalten, gab es von Anfang an auch eine Bahnhofsgaststätte. Neben der Bahnhofswirtfamilie wohnten noch drei weitere Familien, nämlich der Stationsvorsteher und zwei weitere Bahnbeamte, in dem Gebäude. Es war also recht geräumig.

Besonders umfangreich war der Personenverkehr zwischen den Weltkriegen und bis in die 1960er Jahre. Insbesondere weil die nahe der Strecke wohnenden Werktätigen, die bei Bispinck & Bauer in der Weberei, bei Schulte & Dieckhoff in der Strumpfstrickerei oder bei Langkamp im Straßenbau (Pflasterei) beschäftigt waren, die Züge benutzten. Viele von ihnen fuhren spätnachmittags vom Bahnhof nicht nach Hause, ohne vorher in der Bahnhofsgaststätte noch ein Bier für 10 Pfennig oder ein Schnäpschen für nur 5 Pfennig zu trinken.

Die Gaststätte wurde lange Zeit mit Petroleumlampen beleuchtet und alles Wasser, was dort und in den Haushalten der Bewohner gebraucht wurde, musste in Eimern von der Pumpe draußen geholt werden. Auch die sanitären Anlagen waren entsprechend. Bis kurz vor den 1950er Jahren gab es im ganzen Gebäude keine Toiletten; alle Bewohner mussten eines der drei „Plumpsklos" auf dem Bahnsteig benutzen - bei Schneefall empfahl es sich dann, einen Handfeger mitzunehmen, um die Sitzfläche schneefrei zu machen. Doch mit dem aufkommenden Wohlstand ab den 1950er Jahren änderte sich auch dieses.

Nach der Stilllegung der Bahnstrecke wurden für das Bahnhofsgebäude noch nach Nutzungen gesucht, denn es war ein attraktives Gebäude. Leider scheiterten alle Ideen an Decken- und Fußboden-Absenkungen im ehemaligen Wartesaalbereich, die nur mit sehr großem Aufwand hätten beseitigt werden können. Daher wurde das Gebäude, aber nicht die angebauten Güterschuppen, im Mai 2003 abgebrochen.

Vom Schienenverkehr zur Radbahn

Nachdem der Schienenverkehr auf der Strecke Coesfeld–Rheine eingestellt worden war, wucherte die Trasse zu. Schließlich wurde 2005 das gesamte Schienennetzt ausgebaut. Bald darauf entstand ein großes Interesse, die Schienentrasse in ihrem durchgängigen Verlauf als Fuß- und Radweg auszubauen. Deshalb haben die anliegenden Kommunen - Rheine, Neuen-kirchen, Wettringen, Burgsteinfurt, Horstmar, Laer, Rosendahl und Billerbeck die Schienen-strecke erworben und von 2008 bis 2012 in drei Bauabschnitten gemeinsam mit den Kreisen Coesfeld und Steinfurt in einen Fuß- und Radweg umgebaut. Dies wurde mit 75 % vom Land Nordrhein-Westfalen gefördert; der Eigenanteil von 25 % wurde von den beteiligten Kreisen Steinfurt und Coesfeld sowie den angrenzenden acht Kommunen getragen. Im Rahmen ei-nes gemeinsamen LEADER-Projektes der Regionen Steinfurter Land und Baumberge konnten die für den Radtourismus notwendigen Infrastruktureinrichtungen (Informationstafeln, Ti-sche, Bänke, Hektometersteine etc.) geschaffen werden. Seit dem 20. Dezember 2012 ist dieser Bahntrassenradweg mit einer Länge von fast 40 km von Rheine bis Billerbeck-Lutum durchgehend befahrbar. Er wurde am 5. Mai 2013 am ehemaligen Bahnhof Horstmar offizi-ell eröffnet, mit einem großen Fest im neuen Generationenpark Darfelder Bahnhof gefeiert und erfreut sich als „RadBahn Münsterland“ seitdem großer Beliebtheit.

Bahnhofscafé und „Schweinemuseum“

2013 haben Ludger Hummert, Albert Krotoszynski und Norbert Wiechers (HKW) den Güter-schuppen des ehemaligen Horstmarer Bahnhofs erworben, um dort ein „Schweinemuseum" aufzubauen. Hierfür wurde der Verein „Horstmarer Schweinerei“ gegründet. Die Idee ging von Norbert Wichers aus, der als Landmaschinen-Mechaniker-Meister Schweinestall-Einrichtungen herstellte und als Hobby Borstenviecher aus Plüsch, Stoff, Holz, Glas oder Por-zellan sammelt. Seine inzwischen auf knapp 9000 Schweine angewachsene Sammlung möchte er in einem Museum präsentieren. Als „Start“ ist hier am und im ehemaligen Gü-terschuppen ein attraktives „Bahnhofscafé" entstanden, das durch die günstige Lage an der „RadBahn“ sofort großen Anklang bei Radlern und anderen Ausflügler gefunden hat, die dort an Wochenenden Station machen. Ein Raum des Cafés ist in Erinnerung an die Zeit der Ei-senbahn wie ein Bahnabteil eingerichtet und vor dem Café steht eine Vitrine mit Schweinen, die auf das hier geplante „Schweinemuseum“ hinweist.

Deelbergstrecke tief eingeschnitten

Foto: H. Gnoth

Schulte & Dieckhoff nutzte die Bahn sogar für Betriebsausflüge

Foto: H. Nubbemeyer

Bahnhofsgebäude Horstmar (Bz. Münster)

Foto: A. Janßen

Terrakottafliesen als Bauzierde am Bahnhofsgebäude

Foto: A. Janßen

Eine Vitrine mit Schweinchen aus verschiedenen Materialien weist auf das zukünftige Schweinemuseum, das hier entstehen soll, hin.

Foto: A. Janßen

Eisenbahn-Abteil als Teil des Bahnhofs-Cafés.

Foto: A. Janßen

Bahnstrecke als attraktive RadBahn

Foto: A. Janßen